Bericht aus Haiti: Gewalt und Vertreibung
Silien Blindy, Leiter der Schule ECODEM, hat einen Bericht verfasst, wie er die Lage in Haiti zurzeit wahrnimmt.
Liebe Freunde!
Ich grüße Sie im kostbaren Namen unseres Herrn und Erlösers Jesus Christus. Ich möchte auch die Gelegenheit nutzen, um Ihnen mitzuteilen, dass Gott uns immer wieder hierher führt und uns beschützt, trotz des Chaos, das durch die bewaffneten Banden verursacht wird, die unter der Bevölkerung wüten und, bereits seit mehreren Jahren, Tausende von Menschen vertreiben.
Um Ihnen eine Vorstellung vom Ausmaß der Katastrophe zu vermitteln, möchte ich Ihnen, ohne Ihre Zeit zu beanspruchen, eine wahre Begebenheit erzählen, wie sie sich nun fast jeden Tag im Land abspielt.
Ein Beispiel dafür ist die Stadt Gressier, die etwa 30 km von der Hauptstadt entfernt liegt.
Weiterlesen35 Jahre ECODEM
Anlässlich des 35-jährigen Bestehens der ECODEM hat Schulleiter Silien Blindy einen Text verfasst, in dem er die bisherigen Leistungen der Schule in den Blick nimmt, die mit einer Erfolgsquote von 85% in den Abschlussklassen zur einer der zehn besten Schulen des Schulbezirks gehört. Auch ganz persönlich berichtet er von seinem Kindheitstraum, einmal an dieser Schule zu lernen, deren Leiter er inzwischen geworden ist. Auch wenn die Zukunft noch viele Herausforderungen bereit hält, ist er sich sicher, dass die ECODEM diesen gewachsen ist. Seinen Bericht können Sie hier weiterlesen:
WeiterlesenRundbrief März 2024
Liebe Leserinnen und Leser,
Liebe Haiti-Freunde,
die Ereignisse überschlagen sich und Haiti ist zurzeit in unseren Nachrichten allgegenwärtig. Von der schon länger geplanten kenianischen Polizeimission über den Zusammenschluss ehemals konkurrierender Banden bis hin zu Ariel Henrys erzwungenem Rücktritt gibt es zurzeit fast täglich Neuigkeiten, aber selten Gute. Wie wenig Rückhalt Henry hat, wird gerade daran deutlich, dass er nicht mehr in sein eigenes Land einreisen kann. Dass ihm inzwischen kaum jemand mehr traut, die politische Krise zu lösen, liegt auch daran, dass er seit inzwischen fast drei Jahren die mehrfach versprochenen Neuwahlen verschleppt.
Die gegenwärtige Situation in Haiti hat viele Faktoren und viele haben mit der Kolonialzeit und den Interessen globaler Player wie z.B. den USA und Frankreich zu tun – davon wird nun auch häufiger berichtet. Die Geschichte der internationalen Einmischung ist lang und unrühmlich, das herausragendste Beispiel der jüngeren Vergangenheit ist die verheerende Cholera-Epidemie, die UN-Blauhelmsoldaten 2010 im Land auslösten. Auch jetzt warnen Expert:innen davor, dem Karibikstaat eine Lösung quasi von außen überzustülpen. Viele Beiträge, Interviews und Hintergrundinfos finden sich z.B. auf Tagesschau oder der Deutschen Welle.
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Neues von Anneliese
Doch wie geht es Anneliese in diesem Chaos?
WeiterlesenRundbrief Dezember 2023
Liebe Leserinnen und Leser,
Liebe Haiti-Freunde,
das Jahr neigt sich dem Ende zu. Anneliese hat uns ein paar Zeilen geschrieben über das momentane Geschehen in Haiti und welche Auswirkungen es auf die Arbeit in der Schule hat.
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Bericht von Anneliese
„Die Banditen schießen wie Pilze aus dem Boden. Port-au-Prince wird jetzt schon seit Jahren von ihnen beherrscht. Die Südverbindungen sind unter Dauerkontrolle und Transporte gleichen einer Lotterie: entweder man gewinnt und darf passieren oder man verliert und der Lastwagen wird geplündert.
Bei meinem letzten Einkauf – dem ersten nach 15 Monaten – fragte ich die Geschäftsfrau, wie sie an die Ware kommt. Sie meinte sie müsse den Lastwagenfahrern riesige Summen bezahlen, damit sie über kaum befahrbare Straßen und Umwege die Ware liefern. Dementsprechend ist vieles fast unbezahlbar geworden. Kostete früher mein Einkauf 7000- 8000 haitianische Dollar (h$) musste ich diese mal 20.000 h$ bezahlen.
Die nächstgrößere Stadt bei uns in der Nähe, Carrefour, ist bisher einigermaßen verschont gewesen. Von dort kommen einige Lehrer aus unserer Schule. Nun lassen auch dort Banden ihre Muskeln spielen. Viele Familien flüchten und wir nehmen täglich Kinder in unsere Schule auf.
WeiterlesenHuman Rights Watch Video zur Situation in Haiti
Zusammen mit dem im letzten Rundbrief erwähnten Bericht von Human Rights Watch vom 14. August ist ein (englischsprachiges) Video erschienen, das die aktuelle Situation im Land, speziell in und um die Hauptstadt Port-au-Prince, beschreibt. Es ist auf youtube abrufbar.
Rundbrief August 2023
Liebe Leserinnen und Leser,
Liebe Haiti-Freunde,
der Sommer ist aktuell ziemlich verregnet und sicher bedauern viele die ins Wasser gefallenen Ferien. Auch in Haiti macht der Regen seit einigen Wochen zunehmend Probleme.
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Die Lage in Meyer
Seit Ende Mai und noch bis November ist in Haiti Wirbelsturmsaison. Bisher hat Anneliese von viel Wind und Regen berichtet. Es gab auch Überschwemmungen, besonders verheerend waren sie Anfang Juni in der Hauptstadt und in der weiter westlich gelegenen Hafenstadt Leogane (auch die Tagesschau berichtete). Bei Anneliese selbst waren die Schäden nicht so schlimm, da Meyer in den Bergen liegt und das Wasser abfließen kann. Doch vom Hochwasser Betroffene kennt auch dort jeder: Eine Bekannte von Anneliese verlor bei den Überschwemmungen in Leogane ihren Ehemann. Auch einige Lehrerinnen und Lehrer der ECODEM, die mit ihren Familien in anderen Gebieten wohnen, waren betroffen. Ihr Hab und Gut wurde in den Wassermassen zerstört. Unter diesen meteorologischen Voraussetzungen ist auch die Ernte wieder dauerhaft in Gefahr, wie Anneliese berichtet:
WeiterlesenRundbrief April 2023
Liebe Haiti-Freunde,
wie im letzten Rundbrief versprochen, wird heute das Montana-Abkommen kurz vorgestellt:
Das Abkommen wurde Ende August 2021 im namengebenden Hotel Montana in Haiti unterschrieben. Es ist ein Versuch, dem Land zu einem politischen Neuanfang zu verhelfen. Daran beteiligt waren viele zivilgesellschaftliche Organisationen, Parteien und politische Gruppen, in der Hoffnung, dass die Ergebnisse von einer breiten Mehrheit im Land anerkannt und getragen werden.
Der Plan war, zunächst einen Nationalen Übergangsrat zu gründen, der 2022 dann eine Übergangsregierung mit zweijähriger Amtszeit wählt. Diese sollte für das Jahr 2024 freie und faire Neuwahlen organisieren. So sollte das unerträgliche politische Patt beendet werden, in dem sich das Land seit der Ermordung Jovenel Moïses im Juli 2021 befindet und in dem die großen politischen Lager den jeweils anderen jede Legitimität absprechen.
Doch natürlich gibt es, wie immer, auch hier zwei Seiten: Die, die das Abkommen hoffnungsvoll befürworten und die, die es vehement ablehnen. Annelieses Mitarbeiter Silien Blindy hat einen detaillierten Abriss über die Entstehung und die Inhalte des Abkommens geschrieben. Er fasst zusammen:
WeiterlesenRundbrief Dezember 2022
Liebe Haiti-Freunde,
in Haiti überschlagen sich die Ereignisse, doch hier in Deutschland kommt nicht viel davon an. Vielleicht haben wir mit dem Krieg in der Ukraine, der Energiekrise und dem dritten Corona-Winter selbst genug um die Ohren? Das mag stimmen, doch wie immer sind die Probleme in Haiti ungleich größer: Im Oktober traten das erste Mal seit drei Jahren wieder neue Cholera-Fälle auf, die UN warnen vor einer Epidemie. Die Tagesschau meldet, dass Banden inzwischen die Hälfte des Karibikstaats kontrollieren, darunter so zentrale Infrastruktur wie den Hafen in Port-au-Prince. Das hat zur Folge, dass die Preise für Benzin, Lebensmittel und Trinkwasser explodieren und die Verteilung im Land zum Erliegen kommt.
Die Rufe nach internationaler Hilfe werden lauter, auch Kritik kommt auf. Die EU-Abgeordnete Caroline Roose erinnert in ihrer Rede im EU-Parlament am 10. Oktober daran, dass dort vor einem Jahr eine Resolution verabschiedet wurde. Sie wird deutlich:
„Haiti versinkt jeden Tag etwas mehr im Chaos. Morde, Vergewaltigungen und Entführungen sind alltäglich (…). Das Land kollabiert unter den Augen der Internationalen Gemeinschaft (…). Welchen Vorwand werden wir noch anführen, um unsere Untätigkeit zu rechtfertigen?“
Den USA wirft sie vor, ein doppeltes Spiel zu spielen und internationales Recht zu verletzen, wenn sie trotz der verheerenden Situation noch immer Haitianer:innen ausweisen, die Asyl suchen.
WeiterlesenRundbrief Juni 2022
Liebe Haiti-Freunde,
es wäre schön, einmal keine neuen Hiobsbotschaften verkünden zu müssen, was die politische und soziale Lage in Haiti angeht. Doch leider scheint es immer noch schlimmer werden zu können, und auch offizielle Stellen ringen inzwischen angesichts der entfesselten Bandengewalt um die richtigen Worte.
Zwischen dem 24. April und dem 16. Mai wurden Berichten zufolge bei koordinierten bewaffneten Angriffen in Port-au-Prince mindestens 92 Personen, die nichts mit Banden zu tun haben, sowie etwa 96 mutmaßliche Bandenmitglieder getötet. Mehr als 150 weitere Menschen wurden verletzt, als vermisst gemeldet oder gegen Lösegeld entführt.
Die UN-Kommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, sagte Mitte Mai angesichts dieser Zahlen: „Bewaffnete Gewalt hat in Haiti ein unvorstellbares und unerträgliches Ausmaß erreicht. Es müssen dringend Schritte unternommen werden, um die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen, die Menschen vor bewaffneter Gewalt zu schützen und die politischen und wirtschaftlichen Hintermänner dieser Banden zur Rechenschaft zu ziehen.“ Sie forderte die Internationale Gemeinschaft nachdrücklich auf, ihre Anstrengungen zu verdoppeln, um zu verhindern, dass die Situation weiter außer Kontrolle gerät.
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Infos von Anneliese aus dem Mai
Währenddessen geht das Leben bei Anneliese weiter. Meyer ist von Port-au-Prince ausreichend weit weg und abgelegen genug, dass das Chaos die Menschen dort nicht direkt erreicht. Die Auswirkungen sind selbstverständlich trotzdem zu spüren – über die hohen Preise und die unsicheren Transportwege haben wir in den letzten Rundbriefen berichtet. Aber die Menschen passen sich den Umständen an – oft haben sie auch kaum eine andere Wahl. Und aus Meyer selbst gibt es tatsächlich auch gute Nachrichten: Im April gab es bei Anneliese in Meyer Lehrerseminare und sie erhielt die Rückmeldung, dass sie sehr kompetente Lehrer und Lehrerinnen an der Schule habe! Das freut uns zu hören!
WeiterlesenRundbrief März 2022
Liebe Haiti-Freunde,
auch wenn es in den hiesigen Nachrichten bezüglich Haiti zurzeit ruhig ist, gibt es dort weiterhin unruhige Zeiten. Politisch tut sich (zu) wenig: Seit der Ermordung des Präsidenten im Juli letzten Jahres sind die politischen Lager zerstritten und nicht fähig, einen Kompromiss zu finden, der aus dem aktuellen Stillstand herausführt. Das wäre jedoch dringend nötig, um das gefährliche Machtvakuum zu beenden, das von den kriminellen Banden gefüllt wurde, die sich bekriegen und die Bevölkerung terrorisieren. Eigentlich hätte am 7. Februar ein neuer Präsident vereidigt werden müssen. Aber wer?
Auch die Aufarbeitung des Präsidentenmordes stockt. Der neue Untersuchungsrichter hat nur zehn Tage nach Übernahme des Falls öffentlich darauf hingewiesen, dass ihm sowohl die Mittel fehlen, die Untersuchung zu leiten als auch, dass er um seine Sicherheit und die seiner Familie fürchtet. „Meine Familie und ich werden nicht weglaufen. Der haitianische Staat wird zur Verantwortung gezogen, wenn mir, meiner Familie oder meinen Mitarbeitern etwas zustößt“ schreibt er in einer Pressenotiz vom 13. März.
Infos von Anneliese aus dem Februar
Annelies schreibt, dass weiterhin die Preise explodieren. Für den nächsten Monat hat sie das Essen beisammen, danach wird man weitersehen müssen. Mit diesem “Fahren auf Sicht” hat sie nun schon einige Routine. Sie berichtet:
„Der Mund ist gespalten, damit wir essen können“, sagt ein Sprichwort hier. Nur wird es schier unbezahlbar für viele. Heute habe ich Brot gekauft. Ein Bäcker aus Trouin kommt jeden Montag und Donnerstag auf dem Weg zum Markt hier vorbei.
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