17. Dezember 2019

Rundbrief Dezember 2019

Liebe Haiti-Freunde,

die Demonstrationen gegen den haitianischen Präsidenten Jovenel Moïse sind in einen landesweiten Aufstand mit ungewissem Ausgang ausgeartet. Anneliese berichtet, dass 70% der Schulen im Land geschlossen haben und erst im Januar wieder öffnen. Die ECODEM gehört zu den restlichen 30%, die auch während der Unruhen ihren Betrieb weitgehend aufrechterhalten können.

Für die Reihe „Leben in Haiti“ berichtet heute Silien Blindy aus der Sicht eines Landsmannes über Anneliese und die ECODEM. Blindy ist seit 12 Jahren Lehrer an der Schule. Er erzählt zunächst von der Familie Vaugier. Ihnen hat Anneliese vor Jahrzehnten geholfen, die Kosten für die Brustkrebs-Behandlung der Mutter aufzubringen, nachdem der Vater der Familie bei einem Arbeitsunfall gestorben war. Jonas, der jüngste Sohn der Familie, konnte bei Anneliese weiter zur Schule gehen und ist heute ein Elektroingenieur, der sich um seine inzwischen gealterte Mutter und seine jüngeren Geschwister kümmern kann.

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Leben in Haiti: Silien Blindy

So beschließt Anneliese, Jonas in die kleine Grundschule aufzunehmen, die sie einige Jahre zuvor gegründet hatte, und seine Mutter Jeanine mit dem Wenigen zu unterstützen, was sie erübrigen kann. Das erlaubt Jeanine, sich um sich selbst und ihre drei anderen Kinder zu kümmern.

Aber sehr schnell verschlimmert sich die Situation. Jeanines Brustschmerzen haben zugenommen. Im Krankenhaus hat sie eine Mammographie machen lassen, und das Ergebnis zeigt ein erhöhtes Krebsrisiko in ihrer rechten Brust. (…) Die Ärzte empfehlen eine vorsorgliche Brustentfernung, um einen Ausbruch der Krankheit zu verhindern, aber Jeanine weiß nicht, woher sie das Geld für die Operation nehmen soll. Sie hätte gerne gearbeitet, aber die unerträglichen Schmerzen in ihrer Brust lassen ihr dazu keine Chance. (…) Noch einmal kommt Schwester Anneliese ihr zu Rettung. Da auch sie nicht die nötigen finanziellen Mittel für die Operation hat, kämpft sie wie ein Teufel, um sie zu finden. (…) Alles, was es ihr erlaubt, ein paar Groschen zur Seite zu legen, tut sie. Schließlich, nach drei Monaten harter Entbehrung, Einschränkungen und Sparmaßnahmen, hat sie es geschafft, das Geld anzusparen. Jeanine kann sich im Krankenhaus Lumières de Bonne Fin im Süden des Landes, das sich auf diese Art von Operationen spezialisiert hat, behandeln lassen. (…)

Schwester Anneliese Gutmann half nicht nur der Familie Vaugier. Sie hat alles in Deutschland gelassen, um sich in Haiti niederzulassen. Mit der Gründung der „ECODEM“, einer großen Grund- und Sekundarschule, die jedes Jahr etwa 1100 Schüler aufnimmt, hat sie auch zur Entwicklung der ganzen Region beigetragen. Die Verwaltung und Führung dieser Schule gibt 82 Menschen Arbeit, die dadurch die Möglichkeit haben, sich um ihre Familien zu kümmern und ein normales Leben zu führen. Die Kinder kommen alle aus der Bauernklasse und werden fast kostenlos aufgenommen. Sie erhalten jeden Tag eine warme Mahlzeit, die in den meisten Fällen ihre einzige große Mahlzeit des Tages ist. Dazu kommt ein Nähzentrum und eine Kochschule (…). Darüber hinaus dürfen wir die lokale christliche Mission nicht vergessen, die sie mit etwa fünfzehn Pastoren auf die Beine gestellt hat. Ebenso den Bau von Gebäuden, die Besorgung von Baumaterialien und Nahrung sowie die Instandhaltung alldessen, was aufgrund von Hurrikanen, Überschwemmungen und aller Arten von Katastrophen, die immer wieder das Unglück Haitis verursachen, ständig neu durchgeführt werden muss. (…)

Sie kümmert sich nicht nur darum. In einem Land, in dem der Staat völlig abwesend ist, in dem nicht einmal die Grundbedürfnisse gedeckt sind, wird sie kilometerweit im Umkreis beansprucht. So ist ihr Auto der Krankenwagen der Bevölkerung. Sie transportiert kranke, verletzte und behinderte Menschen in Krankenhäuser und kehrt oft mit den Toten zurück. Gibt es eine Hochzeit, ist ihr Auto der Corso. Ihr Haus ist eine Anlaufstelle für viele: Braucht man Rat, Hilfe, will man ein kleines Unternehmen gründen, heiraten oder sich scheiden lassen? Fühlt man sich nicht wohl? Es ist immer Anneliese, an die man sich wendet.

Der Bericht ist ein aus dem Französischen übersetzter O-Ton, die mitunter sehr literarischen Wendungen entsprechen dem Schreibstil von Blindy. Darüber hinaus spiegelt seine Beschreibung von Anneliese aber auch das Ansehen und die Rolle, die diese sich in ihrem über 30-jährigen verlässlichen Wirken vor Ort erworben hat.

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Weihnachtsgrüße des Vorstands

Was im Leben zählt, ist nicht, dass wir gelebt haben. Sondern, wie wir das Leben von anderen verändert haben. (Nelson Mandela)

Liebe Spenderinnen und Spender,

mit Ihren Spenden haben Sie auch in diesem Jahr vielen haitianischen Kindern und Erwachsenen ihr hartes Leben etwas erleichtert. Trotz der schwierigen und unsicheren Lage des Landes konnte die Schule und Speisung mit wenigen Ausnahmen aufrechterhalten werden.

Wir wünschen Ihnen, den Menschen in Haiti und Anneliese ein friedliches Weihnachtsfest und ein gutes und gesegnetes Jahr 2020. Danke für Ihre großartige Unterstützung.

Thomas Wiedmann, 1. Vorsitzender

Text & Redaktion: Janina Lea Gutmann