Rundbrief Dezember 2023
Liebe Leserinnen und Leser,
Liebe Haiti-Freunde,
das Jahr neigt sich dem Ende zu. Anneliese hat uns ein paar Zeilen geschrieben über das momentane Geschehen in Haiti und welche Auswirkungen es auf die Arbeit in der Schule hat.
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Bericht von Anneliese
„Die Banditen schießen wie Pilze aus dem Boden. Port-au-Prince wird jetzt schon seit Jahren von ihnen beherrscht. Die Südverbindungen sind unter Dauerkontrolle und Transporte gleichen einer Lotterie: entweder man gewinnt und darf passieren oder man verliert und der Lastwagen wird geplündert.
Bei meinem letzten Einkauf – dem ersten nach 15 Monaten – fragte ich die Geschäftsfrau, wie sie an die Ware kommt. Sie meinte sie müsse den Lastwagenfahrern riesige Summen bezahlen, damit sie über kaum befahrbare Straßen und Umwege die Ware liefern. Dementsprechend ist vieles fast unbezahlbar geworden. Kostete früher mein Einkauf 7000- 8000 haitianische Dollar (h$) musste ich diese mal 20.000 h$ bezahlen.
Die nächstgrößere Stadt bei uns in der Nähe, Carrefour, ist bisher einigermaßen verschont gewesen. Von dort kommen einige Lehrer aus unserer Schule. Nun lassen auch dort Banden ihre Muskeln spielen. Viele Familien flüchten und wir nehmen täglich Kinder in unsere Schule auf.
Inzwischen gibt es auch Spannungen mit der Dominikanischen Republik (Dom. Rep). Der ermordete Präsident wollte, um die Agrarwirtschaft vorwärts zu bringen, Bewässerungskanäle bauen. Diese sollten von einem Grenzfluss zur Dom. Rep. abzweigen, den beide Länder benutzen. Leider konnte er nur einen Kanal anfangen. Nachdem nun drei Jahre lang keine tragfähige Regierung zustande kam, hat die Bevölkerung mit finanzieller Unterstützung ausgewanderter Haitianer den Kanal fertig gestellt. Die Dom. Rep. war inzwischen aber der Meinung, Haiti würde ihr unrechtmäßig das Wasser abgraben. So wurden kurzerhand die Grenzen geschlossen, damit Haiti keine Waren mehr kaufen kann. Nun merkten sie schnell, dass sie damit auf ihren Waren sitzen blieben und öffneten die Grenze wieder – woraufhin Haiti selbst die Grenze schloss. Die Dom. Rep. verwies daraufhin die Haitianer ihres Landes. Das Ergebnis ist, dass die Lebensmittel an der Grenze vergammeln, wo sie hier doch so dringend gebraucht würden.
Das Essen für die Schulspeisung zu organisieren ist ein Kraftakt. Öl, Trockenfisch, Tomatenmark usw. kamen bis jetzt überwiegend aus der Dominikanischen Republik (das alles wird auch in Haiti produziert, aber es reicht nicht aus).
Zum Glück hatte ich einen Vorrat für drei Monate zugelegt, bevor die Lage akut wurde. Doch Reis und Bohnen kommen aus den USA und müssen monatlich besorgt werden, da sie gerne von Ungeziefer befallen werden. Über food for the poor bekamen wir ab und zu ein paar Säcke Reis und Bohnen. Diese mussten bisher in Leogane abgeholt werden, doch jetzt müssen sie in einem Lager noch hinter Port-au-Prince abgeholt werden – und keiner weiß wie. Kein Chauffeur ist zurzeit bereit, diese Strecke zu fahren; zudem müssten mit der Ware mehrere Straßen-Kontrollpunkte der Banden passiert werden. Auch das Mehl wurde teurer und der Bäcker backt nur noch wirklich kleine Brötchen. Der Sack kostet anstatt 400h$ jetzt 2400 h$.
Die Schule hat im September angefangen und es konnten auch schon einige Prüfungen durchgeführt werden. Inzwischen sind wir mit über 1100 Schülern und Schülerinnen an unserer Kapazitätsgrenze angelangt.
Seit drei Tagen regnet es ohne Unterbrechung. Wenn jetzt noch der Sturm hinzukommt, ist zu befürchten, dass es wie 2016 zu großen Überschwemmungen und Zerstörungen kommt.
Im November 2016 kam ich von meinem Heimataufenthalt in Deutschland zurück und seitdem hänge ich sozusagen in Haiti fest: Zuerst hat Corona einen Strich durch die Reisepläne gemacht und jetzt komme ich wegen der Sicherheitslage nicht nach Port-au-Prince. Dort müsste ich in der haitianischen Botschaft meine Arbeitserlaubnis und in der deutschen Botschaft meinen Pass erneuern lassen. Beides ist zurzeit schlicht nicht möglich. Mir geht es hier aber gut und ich möchte mich bei allen bedanken, die mich und uns schon Jahrzehnte unterstützen und mit Gedanken und Gebeten begleiten.
Ihre und eure Anneliese“
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Auch die Vorstandschaft möchte sich dem Dank anschließen. Mit der Hilfe von Ihnen allen können wir die Schule und die Menschen in Haiti weiter unterstützen. Ob etwas zum Verkauf hergestellt wird, bei Veranstaltungen der Erlös gespendet wird oder sonst der Topf gefüllt wird,
ihr alle tragt dazu bei.
Wir wünschen Ihnen in dieser weltweit leider wenig friedlichen Zeit ein gesegnetes Weihnachtsfest. Kommen Sie gut in das neue Jahr.
Vielen Dank und alles Gute
Thomas Wiedmann
1. Vorsitzender
Text und Redaktion: Maria Wiedmann und Janina Lea Gutmann